Samstag, 9. Oktober 2010

The Social Network - Ein Buch mit vielen Gesichtern



Ein gelungene Einleitung zu einer Filmkritik beginnt meistens mit einer Anekdote zum Regisseur, Hauptdarsteller oder aus dem täglichen Leben, die irgendwie auch zum Inhalt des eigentlich Filmes passt. Dadurch vermittelt man interessantes und gleichermaßen unterhaltsames Wissen an den Leser und macht ihn somit neugierig auf den folgenden Text.

Wenn man nun als Autor ein passende Geschichte gefunden hat zum präsentieren ist das ideal, aber im umgekehrten Falle steht man da mit heruntergelassenen Hosen. Man hat vielleicht ein paar magere Infos zum Hintergrund und erkennt in ihnen auch ein gewisses Potential, aber noch fehlt es an Dramatik und Spannung. Ein wenig Fiktion kann da nicht schaden, schließlich will man ja nur eins: Den Leser unterhalten. Also werden ein paar Fakten aufgebauscht, diese mit mit ausgefeilten Satzstrukturen und ausgefaller Wortwahl verziert, et voilá!

Man könnte mir jetzt eine gewisse Ideenarmut unterstellen, die ich mit dieser Einleitung bewiesen habe. Aber letztendlich soll sie auf eins hinweisen: Den Preis, den man zum Amüsement des Volkes zahlen muss. Nur selten lässt es sich nachweisen, ob etwas wirklich hundertprozentig so abgelaufen ist, wie man es darstellt. Selbst einige Dokumentationen machen es sich sehr einfach, was die Inszenierung angeht, in dem sie ein paar Halbwahrheiten mit sich bringen. Der Film The Social Network ist in diesen Belangen auch ein sehr zweischneidiges Schwert. Zum einen stellt er als 50 Mio Dollar Blockbuster gar nicht die Ansprüche auf historische Korrektheit. Andererseits ist es hier aber auch falsch von "historischer" Korrektheit zu sprechen, da die Geschichte sich gerade mal vor 6 Jahren abgespielt hat.

Facebook ist mit inzwischen 500 Millionen Nutzern wohl das größte soziale Netzwerk, dass im Internet existiert. Mit diesen Zahlen kratzt das Unternehmen sogar an der Größe der "Erwachsenenbranche". Das mag kein Zufall sein, so wurde die Seite laut Film ins Leben gerufen um paarungswillige Harvard-Kommilitonen untereinander zu verkuppeln. Mark Zuckerberg (genial: Jesse Eisenberg) sammelte schon vor der Gründung erste Erfahrungen mit sozialen Netzwerken mit einer Vergleichsseite, auf der man Studentinnen untereinander vergleichen konnte. Der Erfolg der Seite führte mehrere Konsequenzen für "Zuck" herbei. Neben der Verachtung sämtlicher Frauen im Umkreis von 10 Meilen hat er auch das Interesse anderer Studenten auf sich gezogen. Die wollen mit ihm ein ähnliches Projekt beginnen. Doch in diesem Falle ist es ein Netzwerk, dass sämtliche Besucher einer Uni verbinden und ihnen soziale Kontaktmöglichkeiten ermöglichen soll. Mark willigt ein, doch macht sich dann mit der Idee und seinem besten Freund Eduardo (Andrew Garfield) selbstständig.
Ein paar Monate später hat Zuckerberg zwar die 500 Millionen bei Facebook durchbrochen, muss sich aber auch bei zwei Gerichtsverhandlungen verantworten.

Der Film schildert die Gründungsgeschichte Facebooks und die lawinenartigen Folgen, die ein kleiner Stein auslösen kann. Dabei wird der Fokus sehr stark auf die Charaktere und die Inszenierung gerichtet. Wer glaubt, hier wirklich eine bierernste Dokumentation zu sehen, ist fehl am Platz. Stattdessen legt Regie-Mastermind David Fincher eine temporeiche Inszenierung vor, die "The Social Network" mit Dramatik und Spannung nach vorne treibt.  Trotz des etwas außergewöhnlichen Settings des Films, bietet Fincher alles das, was seine früheren Filme auch auszeichneten. Neben der (wirklich gelungenen) Elektro-Musik, die teilweise stark an Fight Club erinnert, findet man auch einige Fincher-typische Optik Spielereien und den obligatorischen Regen. Letzterer wird sogar vom Hauptdarsteller Eisenberg trocken mit "Es regnet" kommentiert, was alteingessenen Fincher Veteranen bestimmt das ein oder andere Schmunzeln auf die Backen zaubert.
Ohnehin ist der Film überraschend komisch, ohne ins alberne abzurutschen. Dabei liegt die Komik vor allem im kargen Wortwitz Zuckerbergs. Gerade in den Gerichtsverhandlungen, wo er als Besserwisser allen eine lange Nase dreht, jubelt man ihm für jeden verbalen Knock-Out innerlich zu. Das ist gerade deshalb interessant, weil Zuckerberg eigentlich nicht die Sympathien des Zuschauers verdient.
Zuerst lässt er sich von den Winklevoss Zwillingen (interessanterweise beide von Armie Hammer gespielt) inspirieren und dann drängt er noch auf eine ziemlich dreckige Art und Weise seinen besten Freund Eduardo aus der Firma. Letzteres hat er jedoch nicht ganz alleine zu verantworten, da er da unter dem Einfluss des Mephistopheles Sean Parker stand (Überraschend quirlig: Justin Timberlake). Der ehemalige Napster Gründer bugsiert sich mit seinem Charme in die Firma und beginnt dort mehr und mehr die Zügel in die Hand zu nehmen. Ob die Sache positiv ausgeht, erfährt man mit einem Klick auf www.facebook.com
Jedenfalls finanziell, aber ob Mark Zuckerberg wirklich zufrieden damit war, ist eine andere Frage...

Man kann sich natürlich nun die Frage stellen, ob das alles wirklich so abgelaufen ist und oben die Personen vom Charakter wirklich genau dem entsprechen, was da auf der Leinwand dargestellt wird. Auch die verschiedenen Anschuldigungen bleiben ein offenes Buch. Zwar haben die Gerichtsverhandlungen wirklich stattgefunden, aber wie bereits im Film gesagt "Soll es auch Leute geben, die unter Eid lügen". Aber gerade diese Offenheit der Geschichte macht es für den Zuschauer interessant. Man will schließlich was erleben, wenn man ins Kino geht und niemand gibt 7€ für eine banale Geschichte über einen Computernerd aus, der aus einer Laune raus mal Facebook ins Netz geklatscht hat.
Die Menschen wollen Verrat sehen, sie wollen ein Arschloch auf der Leinwand sehen, dass eigentlich keins ist und sie wollen kontrovers über anderer Leute Erfolg debattieren. Deshalb nahmen sich Drehbuchschreiber Aaron Sorkin und David Fincher alle Freiheiten um die Geschichte Publikumstauglich zu inszenieren und es ist ihnen gelungen einen wirklich großartigen Film auf die Leinwand zu zaubern, der Komik, Anspruch und Drama unter einen Hut bekommt. Zusammen mit der Schauspielerischen Leistung Eisenbergs, der definitiv ein Kandidat für mehrere Darstellerpreise sein wird und dem Entstehungmythos ist dieser Film eine klare Empfehlung an alle, die sich gut unterhalten lassen wollen, denen aber der erhobene Wahrheitsmittelfinger drei Meter am verlängerten Rücken vorbei geht.

Daher gibt von Stefan ein "Gefällt mir"

bzw. 9,5/10

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